Schadensersatz

Üblicherweise ist der Geschädigte an einer angemessenen Entschädigung interessiert. Solche Schadensersatzansprüche sind beim Zivilgericht geltend zu machen. Vor dem Zivilgericht sind wir mit der Frage konfrontiert, wer was zu beweisen hat und ob der erforderliche Beweis erbracht werden kann. In einem Arzthaftungsprozess muss der Geschädigte nachweisen, dass die ärztliche Behandlung fehlerhaft war (ausgenommen sind die seltenen Konstellationen der Beweislastumkehr). Sollte dem Geschädigten dieser Beweis gelingen - was in der Praxis grundsätzlich mittels eines fachmedizinischen Gutachtens möglich wäre - muss im weiteren Schritt festgestellt werden, dass der Behandlungsfehler für den Schaden ursächlich war. An dieser Stelle muss zwischen der haftungsbegründenden Kausalität und der haftungsausfüllenden Kausalität unterschieden werden.

Haftungsbegründende Kausalität

Die haftungsbegründende Kausalität betrifft die Ursächlichkeit der ärztlichen Behandlung für die Gesundheitsverletzung des Patienten (Primärverletzung). Der Patient muss den ursächlichen Zusammenhang zwischen der fehlgeschlagenen Behandlung und der eingetretenen Körperverletzung im Rahmen der strengen Voraussetzungen des § 286 ZPO (Strengbeweis) nachweisen. Strengbeweis nach § 286 I 1 ZPO bedeutet, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet.

Bei der haftungsausfüllenden Kausalität geht es dagegen um den Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und – hieraus resultierenden – weiteren Gesundheitsschäden des Verletzten (Sekundärschäden). Nur hierfür gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d. h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen.

In meiner Beratungspraxis ist das oft ein Moment in dem die Mandanten gerne nach einem konkreten Beispiel fragen. Zu diesem Thema schildere ich einen Fall aus meiner Praxis, der die Problematik anschaulich darstellt.

Ein Fall aus der Praxis

Bei meiner Mandantin erfolgte eine Gebermutterentfernung (sog. abdominelle Hysterektomie) durch die Bauchdecke. Zu diesem Zweck wird die Bauchdecke aufgeschnitten und nach der Entnahme der Gebermutter wieder verschlossen. Die Operation bei meiner Mandantin verlief zunächst scheinbar komplikationslos. Einige Tage nach der Operation stellte sich ein septischer Verlauf ein, es kam zu einem Platzbauch, d.h. zu einer Wiedereröffnung der Wunde, welche über mehrere Monate alle drei Tage in Vollnarkose gereinigt werden musste. Am Ende des mehrmonatigen Krankenhausaufenthaltes und mehreren Hauttransplantationen wurde die Mandantin mit einem künstlichen Darmausgang (Anus praeter) entlassen und beauftragte mich mit der Aufarbeitung des Falles. Wir ließen ein Gutachten durch den MD anfertigen, in welchem die Gutachterin feststellte, dass der Operateur im Rahmen des Verschlusses der Bauchdecke den darunter liegenden Darm miterfasst und mitangenäht hatte. Anlässlich der postoperativen Wiederaufnahme der Darmtätigkeit rupturierte der Darm meiner Mandantin in der Nähe der an der Bauchdecke fixierten Stelle mit gravierenden septischen Folgen. Die Gutachterin stellte eindeutig fest, dass es sich um eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht handelt, da der Verschluss des Abdomens standardisiert und der Operateur verpflichtet sei, tiefer liegenden Strukturen nicht mitzuerfassen. Die Haftpflichtversicherung des Operateurs weigerte sich jedoch zu regulieren, so dass wir Klage erheben mussten. Allerdings war der im Klageverfahren beauftragte Sachverständigengutachter zum Ergebnis gelangt, dass das Annähen des Darmes an die Bauchdecke zwar ein Kunstfehler war, der Darm meiner Mandantin aber nicht aus diesem Grund platzte. Vielmehr habe sich an der Stelle an welcher der Darm perforierte eine Nekrose gebildet. Die Nekrose sei laut der Ausführung des Sachverständigengutachter infolge der intraoperativen Verödung der Blutgefäße entstanden. Hierbei sei es zu einem Funkenflug gekommen, welcher für den Operateur weder sichtbar noch beherrschbar noch vermeidbar und somit auch nicht fehlerhaft war. Infolgedessen war nach der Feststellung des Gutachters nicht das eindeutig fehlerhafte Annähen des Darmes an die Bauchdecke für den eingetretenen Schaden ursächlich, sondern die durch einen intraoperativ nicht beherrschbaren Funkenflug anlässlich der Gefäßeverödung entstandene Gewebenekrose. Wir konnten uns im vorliegenden Fall zum Glück noch einigen. Hätten wir den Vergleich nicht geschlossen, wäre unsere Klage aber zurückgewiesen worden, weil der Fehler des Arztes, nämlich das Annähen des Darmes an die Bauchdecke, nicht für den Schaden, nämlich die Darmperforation mit allen seinen Folgen, ursächlich war.

Im geschilderten Fall war daher die haftungsbegründende Kausalität nicht nachweisbar, also die Ursächlichkeit zwischen der Verletzungshandlung (Annähen des Darms an die Bauchdecke) und der eingetretenen Körperverletzung (dem Platzbauch). Aus diesem Grunde kam es erst gar nicht zu dem zweiten Schritt, in welchem es darum geht, den Sekundärschaden darzulegen und die Höhe des Schadens zu beziffern.

Wenn die Höhe des Schadens, welchen der Geschädigte erlitt, zu beziffern ist, wird in erster Linie an das Schmerzensgeld gedacht.

Schmerzensgeld

Schmerzensgeld ist nach § 253 BGB der Anspruch eines Verletzten auf eine billige Entschädigung in Geld. Berücksichtigt werden dabei die Schwere der Verletzungen, die Dauer des Leidens, der Verlauf des Heilungsprozesses und etwaige Dauerschäden. Das Schmerzensgeld soll seiner Funktion nach Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, d.h. einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist ausgleichen. Es ersetzt also immer nur den immateriellen Schaden.

Wie geht man also vor, wenn man wissen möchte, wie viel Schmerzensgeld einem Patienten nach einer fehlgeschlagenen Behandlung zusteht? Auf der Suche nach der Orientierung bezüglich der Höhe des Schmerzensgeldes schaue ich nach, wie die Gerichte in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen entschieden haben. Sogenannte Schmerzensgeldtabellen fassen in der Regel mehrere Tausend Gerichtsurteile und die entsprechenden Schadensersatzhöhen zusammen, die im Rahmen dieser Urteile verhängt wurden. Zur Ermittlung der Schmerzensgeldhöhe bediene ich mich zudem juristischer Datenbänke mit neusten Referenzurteilen. Diese Fälle stellen eine Orientierung dar, sind aber keinesfalls bindend. Jeder Fall ist individuell zu behandeln und bedarf einer Einzelfallprüfung. Es gibt ähnliche Sachverhalte, z.B. eine fehlgeschlagene Kniegelenkoperation. Bei Bemessung der Schmerzensgeldhöhe macht es aber einen Unterscheid, ob es sich um ein Kniegelenk eines Fußballers oder eines Rentners handelt; die Höhe des Schmerzensgeldes ist dementsprechend anzupassen.

Neben dem Schmerzensgeld, das einen immateriellen Schaden darstellt, ist der materielle Schaden geltend zu machen. Der materielle Schaden ist der Schaden, den der Patient nicht hätte, wenn die Behandlung ordnungsgemäß verlaufen wäre. Zum Beispiel der Verdienstausfall, aber nur die Höhe des Verdienstausfalles, die nicht durch die Zahlung der Krankenkasse oder einer anderen Stelle kompensiert wurde. Oder die Fahrtkosten, Medikamenten-, Behandlungs,- oder Verbandskosten, die seitens der Krankenkasse nicht übernommen wurden. Eine zu beachtende Schadensposition ist der Haushaltsführungsschaden.

Haushaltsführungsschaden

Meine Mandanten sind oft überrascht, dass die Zahlung von einem finanziellen Ausgleich vom Gesetzgeber vorgesehen ist, wenn sie als Folge des Behandlungsfehlers Unterstützung im Haushalt benötigen. Erleiden Sie also infolge des ärztlichen Kunstfehlers einen Schaden, werden Sie höchstwahrscheinlich Ihre üblichen Tätigkeiten der Haushaltsführung (Planung und Organisation des Haushaltes, Einkaufen, Putzen, Kochen, Spülen, Aufräumen, Wäsche waschen, Pflege und/oder Betreuung von Kindern und anderen Familienmitgliedern, Gartenarbeit, Reparaturen u.ä.) nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausführen können. Wenn die übliche Hausarbeit nicht mehr wie vorher ausgeübt werden kann, steht Ihnen ein Ersatz für den so entstandenen Schaden zu.

Wenn Sie eine Haushaltshilfe einstellen, können Sie die tatsächlichen Kosten zurückerstattet bekommen. Sollte hingegen Ihr Einsatz im Haushalt durch Ihren Ehepartner, durch Freunde oder Angehörige ersetzt werden, die Ihnen unentgeltlich im Haushalt helfen, oder lassen Sie den Haushalt bis zu Ihrer Genesung liegen, wird ein fiktiver Haushaltsführungsschaden seitens des Gerichtes geschätzt. Es gibt wohlgemerkt keine allgemeingültige Rechenformel, mit der sich ein fiktiver Haushaltsführungsschaden beziffern lässt. Stattdessen obliegt es dem zuständigen Gericht, die angemessene Höhe zu schätzen, wodurch ihm verschiedene Methoden zur Verfügung stehen:

Bei einem fiktiven Haushaltsführungsschaden können keine konkreten Rechnungen und Belege für die Kosten einer Haushaltshilfe vorgelegt werden. Deshalb wird auf verschiedene Berechnungsmethoden des Schadenersatzes zurückgegriffen (Differenzmethode, Tabelle nach Schulz-Borck/Hoffmann bzw. Pardey oder das Hohenheimer Verfahren). Ich bediene mich in meiner Praxis des Tabellenwerks “Der Haushaltsführungsschaden” der Autoren Hermann Schulz-Brock und Frank Pardey (früher Schulz-Borck/Hoffmann), nach welchem sich die Gerichte bei ihren Entscheidungen häufig orientieren. Aus diesem Tabellenwerk erfahre ich wie viele Arbeitsstunden durchschnittlich für bestimmte Tätigkeiten im Haushalt anfallen. Dabei spielt die Anzahl der Personen im Haushalt eine wichtige Rolle, denn die Autoren gehen davon aus, dass der zeitliche Aufwand steigt, je mehr Menschen im Haushalt leben. Durchschnittlich werden bei einem 4-Personen-Haushalt zum Beispiel 52 Stunden bei einer Frau, und 42 Stunden Haushaltstätigkeit pro Woche bei einem Mann angesetzt. Diese Stundenzahl wird mit einem Betrag multipliziert, der sich wiederum am Tariflohn orientiert. Diese werden dann mit dem üblichen Stundenlohn einer Haushaltshilfe multipliziert. Jener kann regional unterschiedlich sein und liegt etwa zwischen 9 und 14 Euro. Entscheidet sich das Gericht, beispielsweise für einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro als Wert zu nehmen, ergibt sich als Schadenposition bei einem Totalausfall ein monatliches Entgelt von 624 Euro für eine Frau und 504 Euro für einen Mann.

Daran sieht man, dass die Geltendmachung eines Haushaltsführungsschadens in einem Arzthaftungsrechtlichem Fall unerlässlich ist. Und zwar auch dann, wenn es sich um einen Singlehaushalt handelt. Durchschnittlich werden bei einem Singlehaushalt 19 Stunden Haushaltstätigkeit pro Woche angesetzt.

In vielen arzthaftungsrechtlichen Fällen ist es ferner notwendig einen Feststellungsantrag geltend zu machen.  

Feststellungsantrag

Die Feststellung ist darauf gerichtet, dass der Schädiger dem Patienten auch alle künftig noch auftretenden und kausal auf den Behandlungsfehler zurückzuführenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hat.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit des Eintritts eines weiteren Schadens besteht, sei es auch nur entfernt. Im Umkehrschluss ist ein Feststellungsinteresse des Geschädigten nur dann abzulehnen, wenn bei verständiger Würdigung des Sachverhalts mit einem weiteren Schadenseintritt nicht wenigstens zu rechnen ist.

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