Geburtsschaden
Ein Geburtsschaden fällt unter den Begriff Arzthaftung und Behandlungsfehler, sodass grundsätzlich auf meine Ausführungen zum ärztlichen Behandlungsfehler verwiesen werden kann. Hier gehe ich aber näher auf die Besonderheiten des Geburtsschadens ein, welcher zu den gravierendsten, emotionalsten und schwierigsten Fällen im Bereich des Arzthaftungsrechts zählt. Neben der außerordentlichen emotionalen Belastung hat ein Geburtsschaden immense wirtschaftliche Auswirkungen auf die gesamte Familie. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, für einen finanziellen Ausgleich und eine Absicherung der Zukunft zu sorgen.
Unter einem Geburtsschaden versteht man alle Schädigungen oder Verletzungen des neugeborenen Kindes (oder auch der Mutter), die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder des Geburtsvorgangs entstanden sind. Geburtsschäden können schon im Vorfeld der Geburt entstehen, wenn z.B. eine Risikoschwangerschaft fehlerhaft behandelt wird, wenn im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge die CTG- Untersuchung unterlassen wird oder im CTG der Herzschlag des Babys oder die Wehentätigkeit nicht richtig ausgewertet werden, wenn die Doppleranalyse unterlassen wird, wenn die Blutwerte sowohl der Mutter als auch des Kindes nicht durchgehend erfasst und ausgewertet werden. Auch eine unterlassene Verlegung in ein Krankenhaus bei Komplikationen einer Hausgeburt oder eine fehlerhaft durchgeführte Periduralanästhesie (PDA) können Folgen eines Behandlungsfehlers sein.
Unterbleiben notwendige Voruntersuchungen oder werden diese fehlerhaft durchgeführt, kann dies ferner zu einem Sauerstoffmangel (Asphyxie) des Kindes führen. Bei Neugeborenen führt eine Asphyxie häufig zu schweren Schädigungen an Organen und Gehirn. Asphyxie ist zudem eine häufige Todesursache bei Neugeborenen. Tritt beim Neugeborenen während der Geburt ein Sauerstoffmangel auf, kann dieser zu einem irreversiblen hypoxischen Hirnschaden führen. Gründe für den Sauerstoffmangel während der Geburt können mannigfaltig sein, wie z.B. eine Plazentainsuffizienz, eine Plazentaablösung, eine Nabelschnurkompression oder Nabelschnurumschlingung. Insbesondere kann eine verspätete oder fehlerhaft ausgeführte Sectio (Kaiserschnitt) erhebliche Folgen haben.
Die Zeit zwischen der Entscheidung den Kaiserschnitt durchzuführen und der Entwicklung des Kindes muss möglichst kurzgehalten werden. Nach Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sollte diese sog. E-E-Zeit (Entschluss-Entwicklungs-Zeit) im Idealfall nur 10 und keinesfalls länger als 20 Minuten betragen.
Auch kann das Kind durch ein schlecht ausgeführtes Geburtsmanöver verletzt werden. Es kann z.B. zu einer sog. Schulterdystokie kommen, wenn sich nach der Geburt des Kopfes die Schulter des Babys im Becken der Mutter verhakt, wodurch es zum Geburtsstillstand kommt. Infolge der Schulterdystokie werden oft die Nerven des Kindes in der Schulter geschädigt, was häufig zu einer irreversiblen Plexuslähmung führt. Kommt das Kind mit dem Becken voran zur Welt (Beckenendlage), wirkt ein starker Zug auf die Arme, wodurch Schäden am oberen Armnervengeflecht (Duchenne-Erb-Lähmung) oder am unteren Armnervengeflecht (Klumpke-Lähmung) entstehen können.
Ist ein Behandlungsfehler ursächlich für den Geburtsschaden können Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend gemacht werden. Wie hoch der Anspruch auf Schmerzensgeld ausfällt, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt immer vom Einzelfall ab. Maßgeblich für die Höhe des Schmerzensgeldes ist die Schwere des gesundheitlichen Schadens und der daraus resultierenden Folgen, wie die Dauer der Behandlung, Umfang der Hilfebedürftigkeit oder auch der Verlust an Lebensqualität.
In solchen Fällen können neben dem Schmerzensgeld diverse Schadenspositionen eine Rolle spielen, wie z.B.: Ersatz der Behandlungskosten, Ersatz der Kosten für notwendige behinderungsbedingte Umbauten in Haus, Wohnung und Auto, Ersatz der zusätzlichen Aufwendungen für Hilfsmittel, Hilfe im Alltag, Pflege und Therapie, Ersatz der Kosten für eine Pflegekraft, Geltendmachung von Haushaltsführungsschäden, Entschädigung für den Verdienstausfall der Eltern, wenn diese die Pflege übernehmen, ggf. Verpflichtung zum Ersatz zukünftiger materieller und immaterieller Schäden.
Achten Sie darauf, die Ansprüche rechtzeitig, solange sie noch nicht verjährt sind, geltend zu machen.
Die Ansprüche verjähren regelmäßig nach drei Jahren. Dabei setzt die Verjährungsfrist am Ende des Jahres ein, in dem der Schaden entstanden ist. Voraussetzung für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist ist, dass der Geschädigte Kenntnis von seinem Anspruch hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte haben müssen. Da der Geschädigte von einem Behandlungsfehler auch erst später Kenntnis erlangen kann, beginnt die Verjährungsfrist entsprechend ab Kenntnis (oder kennen müssen) zu laufen. Das heißt, der Schadenersatzanspruch muss nicht schon automatisch drei Jahre nach der Geburt verjährt sein. Nach Ablauf der Verjährungsfrist können Schadenersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.
Treffen Sie keine übereilten Absprachen mit den behandelnden Ärzten bzw. der Klinik und nehmen Sie nicht vorschnell Abfindungsangebote der Versicherung an. Auch wenn die Aussichten auf eine schnelle Einigung und finanzielle Entschädigung verlockend sein können, sollten Sie jede Entscheidung sorgfältig abwägen. Wenn die gegnerische Versicherung auf Sie zukommt und die Zahlung einer einmaligen Abfindung anbietet, dient es häufig nur dazu, den Versicherer vor höheren Schadenersatzzahlungen zu bewahren.
Lassen Sie sich in dieser Situation lieber anwaltlich beraten.